Anton Züger

Abschied von Anton Züger (*15.6.1931; † 23.4.2020), Bethlehemmissionar SMB.

11.05.2020

Lebenslauf

geboren 15. Juni 1931
Priesterweihe 23. März 1959
Vikar in Ichinoseki 1962 – 1969
Pfarrer in Morioka-Kamido 1970 – 1977
Pfarrer in Morioka-Shike Regionaloberer (1977-2001): überpfarreiliche Bildungsarbeit: Amnesty International; Justitia et Pax 1977 – 2006
Seelsorger in Morioka (Regionalhaus) 2006 – 2016
Ruhestand in Sendai Altenheim) 2016 – 2020
verstorben 23. Aprli 2020

Nachruf (von Charles Renner SMB)

Jeder Mensch hat seine eigene, geheime, persönliche Welt. Und wenn er stirbt, nimmt er alles mit sich, nur die Fussspuren gemeinsamen Weges und einige Erinnerungen bleiben uns. Hier im mitbrüderlichen Kreis möchte ich mich nur kurz auf einige persönliche Erinnerungen beschränken, wie ich Toni erlebte.

1945 trafen wir uns erstmals als Vierzehnjährige hier am Gymnasium Immensee. Sein Onkel war Pfarrhelfer in meiner Heimatgemeinde Bürglen UR und so fühlten wir uns rasch verbunden. Toni war eher stiller Natur, sportlich und musisch wenig zu begeistern: beim Klassenfussball stand er meist im Goal, wenig berührt vom Geschehen rundum, einzig bemüht zu entscheiden, ob der Ball im Tor oder ausserhalb war. Aber den Ball abwehren, dies überliess er andern. – Oder in der Theaterzeit war er für Garderobe und Schminken zuständig. Wir neckten ihn oft: «Toni, du hast nur drei Brüder und keine Schwester. Wie willst du ein Studentengesicht in das einer Dame verzaubern?» Unbeeindruckt lächelte er nur. Vor der Aufführung rief er uns zu sich und präsentierte stolz seine Mühen: «Hier, antike Schönheit; Antigone!» Erstaunlich gut gelungen! So erlebten wir Toni.

Die strenggeführten Studienjahre absolvierte er problemlos als Musterschüler. Nach dem Noviziat wurde er für die Mitarbeit in der Bibliothek bestimmt, ein willkommenes Geschenk für ihn. Denn Bücher blieben seine Leidenschaft und wir sahen in ihm bereits den zukünftigen Lehrer oder Wissenschaftler. Nach der Priesterweihe wurde er ins Torry nach Fribourg berufen mit der Auflage, Französisch gründlich zu lernen, da er für Jahre dort in der Schule mitwirken werde. So trennten sich unsere Wege. Nach kaum einem Jahr überraschte uns beide die Destination: Japanmission. Es war wie ein Blitz aus heiterem Himmel. In Marseille bestiegen wir das Schiff, das uns in fünf Wochen nach Japan brachte. Trotz herrlicher Ausflugsangebote bei Schiffshäfen hat Toni das Schiff nie verlassen, las nur Bücher und rauchte seine Brissago oder Pfeife. Der Weg zum Sprachstudium in Tokio war mühsam. Da erfuhr ich erstmals, dass Toni von Geburt an auf einem Auge blind war und so konnten wir den halbstündigen Schulweg nicht mit dem Velo, sondern nur zu Fuss bewältigen, was bei Hitze, Staub und Unwetter sehr mühsam war. Die Lehrer staunten, mit welcher Gewandtheit er die komplizierten Schriftzeichen und ihre Lesarten beherrschte, während andere Mit-Missionare stöhnten und aufgaben, wie ein Italiener, der resigniert meinte: «Japanisch ist eine Erfindung des Teufels».

Nach knapp anderthalb Jahren Sprachstudium wurde Toni als Vikar nach Ichinoseki bestimmt, wo er sich bei Oskar Egloff rasch in die japanische Mentalität und den Pfarreibetrieb einlebte. Seine Predigten und Bibelstunden vermochten sowohl Christen wie Katechumenen zu begeistern, denn seine Worte waren erstaunlich einfach und fasslich. Er schrieb mir: «Ich versuche das Evangelium so darzulegen, dass es auch für die Fussgänger des Gottesvolkes, die mit uns unterwegs sind, verständlich wird und auch für jene, die nur zaghaft oder gar nicht an Gott zu glauben vermögen. Dass sie das Frohe und Befreiende der Botschaft Jesu spüren und aufnehmen, das ist mir Herzensanliegen».

aus einem Brief von Tony

«Dass auch die Fussgänger des Gottesvolkes das Frohe und Befreiende der Botschaft Jesu spüren und aufnehmen, das ist mir Herzensanliegen.»

Immer wieder wurde er gebeten, für das deutsch-sprachige Missionspersonal Exerzitien zu geben, auch mehrmals in Taiwan. Seine Talente kamen auch uns Mitbrüdern sehr zugute. Wir freuten uns, als er für überpfarreiliche Bildungsarbeit ins Regionalhaus gerufen wurde. 1977 wurde er zum Regionalobern gewählt und blieb es bis zur Auflösung der Region, fast 30 Jahre lang. Das mag erstaunen. Wir schätzten es sehr, dass er sich in seiner still-bescheidenen Art nicht in die konkrete Pastoralarbeit der Pfarrgemeinden einmischte, sondern sich vielbelesen auf richtungsweisende, wertvolle Anregungen für unsere pastorale Arbeit beschränkte. Darum war er allseits beliebt und geschätzt. – Meist trafen wir uns nur an monatlichen Rekollektionstagen am Sonntagabend bis Montagabend im sonst einsamen Regionalhaus, das er mit dem Pfarrer der Shike-Pfarrei nebenan bewohnte. Kaum zum Obern gewählt, übernahm Toni auch eine der drei Stadtpfarreien in Morioka. sowie die Betreuung des Dominikanerinnenklosters und wurde noch Direktor des neu-erbauten missionarischen Zentrums. Gemeinsam mit christlichen Professoren, Ärzten, Ehepartnern und Mitbrüdern startete er Vortragsreihen wie: «Das christliche Menschenbild» oder «Kirche und Menschenrechte» oder «Christliche Lebenspraxis» usw.

Schliesslich sorgte er mit grosser Umsicht und Geduld für die älteren Mitbrüder und bereitete die Übergabe aller Pfarreien an einheimische Kräfte vor. Bei der Konsultation 2000 in Simbabwe wurde beschlossen, dass bis 2004 alle SMB- Mitglieder Japan verlassen. Es brauchte für Toni enorme Überzeugungskraft, bis alle Mitbrüder bereit waren, loszulassen und heimzukehren. Umso überraschender teilte er uns mit, dass er selber in Japan verbleibe. Er hat seinen Entscheid nie begründet, sondern als Geheimnis mit ins Grab genommen. Zum Glück fand er einen Arzt, der bestätigte, ein Rückflug in die Schweiz sei für sein Herz zu riskant. Gesundheitliche Probleme und Abnehmen der Kräfte machten seinen Alltag jedoch immer beschwerlicher. Sogar seine uralte Hermes-Schreibmaschine, die ihn lebenslang begleitete, versagte ihren Dienst. Darum nur noch spärliche Kartengrüsse. Im April 2017 entschloss er sich schweren Herzens ins neugebaute Altersheim der Diözese nach Sendai zu ziehen, wo er weiterhin von einer treuen Christin liebevoll betreut wurde. An Ostern telefonierte ich ihm. Seine Stimme war schwach, aber die Ostergrüsse unserer Gemeinschaft freuten ihn sichtlich.

Verbunden mit den Christen in Japan danken wir dem treuen Gott für unseren lieben Mitbruder Toni, der mit Wort und Leben die kostbare Frohbotschaft Jesu verkündigte. Möge Gott, mit der Allmacht seiner Liebe, Toni umfangen und ihn in voller Tiefe und Breite die Auferstehungsfreude erleben lassen und das Leben in Fülle.