Autor: Markus Isenegger
Vor mir liegt die Doppelseite einer sehr alten Ausgabe des «Migros-Magazins» mit Menüs für den Winter. Ich lese: Suppenhuhn. Genannt sind Zutaten, es braucht Knoblauch, Zwiebeln, Rüben sowie Lauch und viel Wasser. Das Huhn muss zwei bis vier Stunden lang gesotten werden. Man kann noch Ingwer dazutun. Weihnachten steht bevor. Ich möchte Gäste haben. Dies wäre doch ein tolles Menü! Doch mir fehlt die Übung. Sollte ich nicht besser bei den bewährten «Gschwellti mit Chäs» bleiben und somit «bei des Schusters Leisten»? Zehn Jahre sind es, seit ich so ein Huhn gekocht habe. Ob ich noch weiss, wie?
Als Kinder fuhren wir an Weihnachten meist zur Grossmutter. Am 26. Dezember oder so. Über Jahre hinweg. Suppenhuhn gab es kaum, eher Brathuhn oder Bruthahn. Immerhin.
In der Volksschule nahmen wir das Bresshuhn durch. Es komme aus Frankreich, aus der flachen Gegend von Bresse, wo es Farmen gebe mit Auslauf für viel Hühner.
Es muss etwas mit Gesundheit zu tun haben, mit Widerstand und auch mit Kraft. Am vierten Advent ziehen 1300 Jugendliche in der Kälte durch Wälder und Wiesen dem Ranft-Treffen zu. Davon habe ich an der Info-Tafel im Bus gelesen. Das Motto heisse: «Tschüss Gewohnheit – ahoi Herausforderung!» Es gebe Zwischenhalte, Workshops und gewiss etwas zu essen. Hühnersuppe vielleicht? Was wird wohl aus dem Mut der Jugend in dieser Winternacht? Was wird aus meinem Mut mit Suppenhuhn? Gewohnheit gegen Herausforderung?
Mein Projekt macht mich mehr und mehr gluschtig, bereits bin ich kribbelig. Ja, ich traue mir das Kochen zu. An Weihnachten will ich Gäste haben, ich werde vor die Mühle auf den Strassenplatz gehen, wo es immer etliche Leute hat, Verschupfte wie Verschnupfte, Fischer und Schiffer, Quere und Queere, Coole wie Schwule, und ihnen zurufen: Suppenhuhn – Suppenhuhn ahoi!