Die SMB hat schon über 40 Pastoralkurse in Kommunikativer Theologie für chinesische Seelsorgende durchgeführt. Der Kurs vom 4. bis 14. September 2019 war für uns eine neue Erfahrung, weil er voller verschiedener und erstmaliger Variablen war.
Die Kursleiterin Rita Chen beschreibt den vom 4. bis 14. September 2019 stattgefundenen Pastoralkurs in Kommunikativer Theologie wie folgt:
- Zum ersten Mal luden wir Priester, Ordensschwestern und Laienführer aus China in die Schweiz ein.
- Zum ersten Mal luden wir Leute aus der Untergrundkirche und der offiziellen Kirche aus derselben Diözese ein.
- Zum ersten Mal fand ein Kurs in einer neuen Umgebung statt, in der «Stelle Matutina» in Hertenstein.
- Zum ersten Mal nahmen Priester, Schwester und LaienführerInnen am gleichen Kurs teil.
- Zum ersten Mal waren die Teilnehmenden so verschieden: Ausbildung, Alter und Pastoralerfahrung in der Kirche.
Deshalb hörte ich vor Beginn des Kurses immer wieder besorgte Stimmen:
- Werden die Teilnehmenden ihr Visum erhalten?
- Wenn bei Kursbeginn niemand oder zu wenig Teilnehmende kommen, was dann?
- Wenn wir nicht wissen wie viele kommen, wie sollen wir uns vorbereiten?
- Was sollen wir tun, wenn sie Visa und Flugticket haben, aber beim Abflug gestoppt werden?
- Werden sie bei ihrer Rückkehr Schwierigkeiten haben?
- Wenn die Teilnehmenden ein paar Tage vor Beginn des Kurses plötzlich nicht mehr ausreisen können, gibt es irgendwelche Alternativen?
Trotz dieser vielen Fragen war mein Herz sehr ruhig und zuversichtlich. Ich weiss, dass unser Kursvorhaben in den Händen Gottes liegt. Wenn Gott es will, werden aus den Schwierigkeiten Segen und Gnade!
Der gesamte Prozess der Durchführung dieses Kurses war in der Tat eine Vertrauens- und Geduldsprobe für unser dreiköpfiges Team (Rita, Laurenz und Peter). Er liess uns aber im Nachhinein den Wert und Sinn des SMB-Projekts der Weiterbildung chinesischer Seelsorger erfahren.
Ich persönlich bin überzeugt, dass dieser Kurs den eigentlichen Zweck unseres Förderprogramms erreicht hat: nämlich Raum für den Dialog zwischen den beiden Gruppen der chinesischen Kirche (Offizielle und Untergrundkirche), Das ist wohl Gottes Traum für die Kirche in China!
Wir können auch die Konflikte und Gegensätze zwischen den beiden Gruppen verstehen. 2007 haben wir dieses Weiterbildungsprogramm gestartet. Damals konnten wir uns nicht vorstellen, dass Priester, Schwestern und Laienführerinnen von Gemeinden aus beiden Gruppen zusammen an einem zehntägigen Kurs teilnehmen können; dass sie fähig sind sich gemeinsam den Sorgen und der Missionsaufgabe der Kirche stellen, ohne Zwang und Stress, in entspannter Atmosphäre, zum ersten Mal direkt von Angesicht zu Angesicht, sich die eigenen Herzenswünsche und die gegenseitigen Gedanken erzählen.
Auf die Erfüllung dieses Wunsches des SMB- Weiterbildungsprojekts mussten wir jahrelang warten. Am Anfang führten wir in Singapur nur Kurse für Priester und Schwestern der Untergrundkirche durch. Die Kurse an der Theologischen Fakultät der Universität Fu Jen in Taipei waren damals nur für Priester, Schwestern und Seminaristen der offiziellen Kirche. Wir führten auch über zehn Kurse für chinesische Seelsorgende beider Gruppierungen, die in Europa studieren, durch. In all diesen Jahren wurde dieses Weiterbildungsprojekt der SMB von den Teilnehmenden sehr geschätzt. Wir werden auch immer wieder gebeten, die Anzahl der Kurse, insbesondere in China selber auszubauen. Auch werden neue Austragungsorte gewünscht und auch neue Kursarten kirchlicher Dienste anzubieten.
Vor einem Jahr, am 22. September 2018, unterzeichneten der Heilige Stuhl und Vertreter der chinesischen Regierung ein Interimsabkommen über die zukünftige Ernennung chinesischer katholischer Bischöfe, Zu diesem Zeitpunkt waren wir gerade als SMB-Reisegruppe in China. Ich war damals überzeugt, dass die Zeit nun gekommen ist, mit Kursen unseren Beitrag zum Dialog zwischen den beiden Gruppierungen zu leisten.
Bei der konkreten Planung des Kurses 2019 habe ich beide Gruppierungen (Untergrund und Offizielle Kirche) kontaktiert. Ich stellte fest, dass ich alle Informationen zweifach weitergeben musste, weil sie in China wegen bitteren Erfahrungen in der Vergangenheit kaum miteinander kommunizierten. Und auch heute noch besteht vielerorts eine grosse Kluft zwischen diesen beiden Gruppen, nicht nur, weil es «unbequem» war, sich zu kontaktieren. Die lokale Regierung möchte auch nicht, dass die beiden Gruppen zusammenarbeiten. Heute, ein Jahr nach der Vereinbarung soll nach Ansicht der Regierung die Untergrundkirche einfach nicht mehr existieren.
Die Kirchenzugehörigkeit in China gleicht einer familienähnlichen Struktur. Dies hatte eine distanzierte Interaktion unter den beiden Lagern zur Folge, die sich während des Kurses langsam änderte: Bis zum dritten Tag hatten wir Austausch in getrennten kleinen Gruppen. Dann liess ich je zwei Vertreter der beiden Gruppierungen in einer Fishpool-Debatte sich konfrontieren. Das Thema des Dialogs zwischen den beiden Seiten lautete: Wo steht unsere Diözese im Kontext der heutigen chinesischen Kirche? Wohin geht der Weg?
Zu dieser Zeit sah ich, dass alle 17 Teilnehmenden diese Gelegenheit zum Dialog und den Wunsch nach Kommunikation besassen, aber gleichzeitig noch Angst und Zurückhaltung dominierten. Sie hatten buchstäblich Angst sich selber bloss zu stellen oder die anderen zu verletzen. Obwohl die beiden Gruppierungen verschiedene Standpunkte und Missverständnisse mitbrachten und es fast zu Streit und gegenseitiger Verurteilung kam, drückten trotzdem alle ihre echten Gedanken und vergangene Verletzungen aus.
Der aufrichtige Austausch zwischen den Vertretern beider Seiten ermöglichte es allen Teilnehmenden ihre früheren eigenen Ängste auszudrücken. Viele Voten kamen unter Tränen und mit Entschuldigungen, so dass ich nicht nur als Gesprächsleiterin und Beobachterin zutiefst berührt wurde, sondern ich bewunderte auch ihren Mut und wurde überrascht von der Kraft Gottes. Nach dem aufrichtigen Austausch zwischen den beiden Gruppen wurde die Atmosphäre des Kurses immer harmonischer. Das Eis war gebrochen – Alle kehrten in ein gemeinsames Zuhause zurück, um zusammenzuleben, zu teilen, zu lernen, zu pilgern und zusammen Eucharistie zu feiern.
Ich sah auch wie auf dem Bethlehem Friedhof in Immensee alle Teilnehmenden vor den Gedenksteinen der ersten Chinamissionare niederknieten und sie berührten. Sie baten diese Chinamissionare Schutzengel der Versöhnung der beiden Gruppierungen zu sein und flehten um Fürsprache für eine Wiederversöhnung. Ich sah zwar immer noch, dass sich die beiden Gruppen oft getrennt trafen, aber es bestand kein Misstrauen mehr zwischen ihnen, was jedem sein Bedürfnis nach Freiheit erlaubte. Ich weiss auch, dass die beiden Gruppen darüber diskutierten, wie sie andere Gemeindemitglieder dazu bringen können, nach ihrer Rückkehr in ihre Diözese auf dem Weg zum Dialog vorwärts zu kommen.
Auf dem Weg zum Flughafen drückten alle ihre Dankbarkeit der Missionsgesellschaft gegenüber aus, Dankbarkeit für diese Glaubenserfahrung, die sie möglicherweise nur einmal in ihrem Leben machen dürfen. Sie sagten, dass sie eine Art Bethlehem Missionare sein möchten, und dass sie in China weiterhin diesen missionarischen Geist weitergeben werden. Ihre Beteuerungen sind fast die gleichen, wie die aller Teilnehmenden unserer Kurse in der Vergangenheit: Sie sagten, dass die Bethlehem Missionare in der Schweiz zwar keinen Nachwuchs habe. «Aber wir alle sind der Nachwuchs der Bethlehem Missionare in China!»
Bericht von Rita Chen Baumann