Die Missionsgesellschaft Bethlehem und ihre Qiqihar-Mission in China

Die SMB-Mission in China florierte zunächst, doch 1954 endete sie mit der Ausweisung durch das kommunistische Regime. Seit den 1990erJahren nimmt die SMB wieder Kontakt zu Qiqihar auf und widmet sich seit 2008 der Priester- und Schwesternausbildung, zuletzt mit Weiterbildungskursen in Immensee.

02.01.2025

Autor: Peter Baumann

Von den Anfängen bis zur Ausweisung

Am 28. September 1924 wurden die ersten SMB-Missionare Paul Hugentobler, Eugen Imhof und Gustav Schnetzler nach China ausgesandt. Die Propaganda in Rom hatte der SMB das Missionsfeld Qiqihar in der Provinz Heilongjiang in Nordchina zugeteilt, das rund zwölfmal so gross ist wie die Schweiz. In Yenchowfu (heute Yanzhou) lernten die SMB-Missionare bei den Steyler Missionaren Sprache und Kultur des ihnen völlig fremden Landes kennen. Den drei Pionieren folgten im Laufe der Zeit weitere rund 45 Mitbrüder. 1927 stiegen die Ingenbohler Schwestern mit ins Boot der Missionsarbeit, deren Zahl sich mit den Jahren auf zwei Dutzend erhöhte. Zusammen wirkten sie in diesem sehr harten Weinberg Gottes sehr erfolgreich, trotz schlechten hygienischen und harten sozialen Bedingungen, politischen Wirren und Kriegen. Die Priester bildeten Christengemeinden, bauten Kapellen, Kirchen und die im neugotischen Stil erbaute Michaelskathedrale in Qiqihar. Auch ein kleines Seminar für den Priesternachwuchs wurde auf die Beine gestellt. Die Schwestern errichteten Gesundheitsposten und Kliniken in Städten und besonders auf dem Land, gründeten Missionsschulen und bauten eine einheimische Schwesterngemeinschaft auf. Rund ein Dutzend Priester, teilweise sehr jung, opferten sogar ihr Leben im harten Missionseinsatz. Pater Anton Ebnöther und zwei Theresienschwestern wurden von den Kommunisten erschossen.

1948 zählte man in Qiqihar 23 500 Katholiken, 43 Priester, 2 davon einheimische und 23 ausländische Schwestern. Insgesamt wurden 47 Kirchen erbaut. Mit der Machtübernahme durch Mao Zedong 1949 brach die Rote Nacht über Qiqihar herein: Priester und Schwestern wurden verhaftet, misshandelt, in Schauprozessen gedemütigt, zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt und schliesslich des Landes verwiesen. Die letzten SMB-Missionare Hermann Brun und Ernst Manhart verliessen das Land 1954. Die Qiqihar-Mission war am Ende.

Eugen Imhof mit einem Teil der SMB-Missionare. Von links, vordere Reihe: Mathäus Ruf, Gustav Schnetzler, Eugen Imhof, Franz Fröhling, Alois Schildknecht. Hintere Reihe: Joachim Kaufmann, Friedrich Bossert, Gottlieb Raimann, Andreas Huser, Anton Jörg, Oskar Jäger, August Widmer, ca.1931. Foto: Archiv SMB

Funkstille zwischen SMB und Qiqihar

Trotz der schweren Misshandlungen der letzten Jahre in China war es für die SMB-Missionare sehr hart, die geliebten Menschen und das Land zu vergessen. Einige zogen nach Morioka, Japan, andere nach Taiwan, und einige fanden in Kolumbien ein neues Tätigkeitsfeld. Die Kontakte zum geliebten Qiqihar waren wegen der kommunistischen Machtherrschaft schwierig. Vor allem während der Kulturrevolution 1965–1976 waren jegliche religiösen Tätigkeiten in ganz China strikt verboten. Die Priester wurden für 10 bis 15 Jahre in Arbeitslager oder Gefängnisse gesteckt. Sämtliche Kirchen wurden geschlossen und als Fabriken, Lagerhäuser oder dergleichen genutzt. Kontakte seitens der SMB zur Kirche in Qiqihar waren zu dieser Zeit absolut unmöglich. Hinzu kam, dass mit zunehmendem Alter und Tod der China-Missionare die Interessen der SMB an Qiqihar immer mehr in den Hintergrund traten, weil ohnehin kaum Hoffnung bestand, wieder Missionare nach Qiqihar aussenden zu können.

Ein Pater ist aus der Gefangenschaft zurückgekehrt. Foto: Archiv SMB

Die Glut unter der Asche wieder zum Glühen bringen

Einzig die SMB-Missionare in Taiwan waren wegen der gleichen Sprache und der speziellen Beziehungen Taiwans zum Festland immer daran interessiert, was sich in China und vor allem in Qiqihar abspielte. Nachdem Deng Xiao Ping nach dem Tod von Mao Zedong und dem Ende der Kulturrevolution 1979 eine wirtschaftliche Liberalisierung einleitete und auch für die Religionen langsam wieder neues Leben möglich war, stellte vor allem Ueli Scherer in den 1990er-Jahren wieder die ersten Kontakte zu Qiqihar her. Er wusste nämlich, dass dort Paul Guo Wenzhi, ein ehemaliger Seminarist des kleinen Seminars der SMB, 1950 zum Stellvertreter des Bischofs von Qiqihar geweiht worden war und vor Ort als Bischof der Untergrundkirche wirkte. 1954 wurde er in Beijing zu über zehn Jahren Arbeitslager in Xinjiang, dem Uigurengebiet im Westen Chinas, verurteilt. Bischof Paul Guo Wenzhi und sein Nachfolger Joseph Wei Jingyi wurden in der Folge von Bruder Laurenz Schelbert, Karl Stähli und Peter Baumann besucht. Bei diesen Besuchen wurden sie wieder und wieder mit den Bedürfnissen der Kirche in Qiqihar konfrontiert. Es wurde stets der Wunsch geäussert, wieder enger mit der SMB zusammenzuarbeiten und sich insbesondere der Ausbildung der Priester und Schwestern anzunehmen. Hier muss erwähnt werden, dass viele Priester der Untergrundkirche in ganz China nur eine sehr dürftige Ausbildung erhalten hatten, weil es bis in die 1980er-Jahre schlicht keine Priesterseminare mehr gab. Priesteramtskandidaten arbeiteten mehrere Jahre mit Bischöfen zusammen und wurden von ihnen – so gut es eben ging – unterrichtet und dann zu Priestern geweiht. Deshalb der sehnlichste Wunsch von Bischof Joseph Wei Jingyi an die SMB, sich vor allem der Priester- und Schwesternausbildung anzunehmen.

Die St.-Michaels-Kathedrale in Qiqihar wurde im europäischen Stil gebaut und ist dem Erzengel Michael gewidmet, der als Schutzpatron der Kirche gilt. Nach der Machtübernahme durch die Kommunisten 1949 und den darauf folgenden politischen Umwälzungen wurde die Kathedrale schwer beschädigt. Sie steht heute als Symbol für den Glauben und die Widerstandskraft der katholischen Gemeinschaft in China.

Neues Engagement der SMB für die Qiqiharmission

Zu Beginn des Jahres 2007 schrieb Laurenz Schelbert SMB in diesem Zusammenhang: «Angesichts dieser Tatsache hat sich die Region Taiwan der SMB entschlossen, ein Projekt zur Weiterbildung von Seelsorgern und Seelsorgerinnen für die chinesische Kirche in die Wege zu leiten und mitzufinanzieren. Es darf als ein Glücksfall bezeichnet werden, dass die Theologin Rita Chen nach ihrem Theologiestudium an der Furen-Universität Taipei und rund zwanzigjähriger Tätigkeit am Pastoralinstitut Taipei (Förderung der einheimischen Kirche durch Aufbau von christlichen Basisgemeinden und Ausbildung von Führungskräften) für diese Aufgabe gewonnen werden konnte; auch weil sie von 2003 bis 2007 in Innsbruck ein Zusatzstudium in Pastoraltheologie (Magister in Religionspädagogik und ein Lizenziat in kommunikativer Theologie) abschloss.»

Das Ausbildungsteam, bestehend aus Laurenz Schelbert (Projektleiter), Rita Chen Baumann (Kursleiterin) und Peter Baumann (Teilzeitmitarbeiter), nahm sich in der Folgezeit der Weiterbildung von Priestern und Schwestern aus Qiqihar und im Ausland studierender chinesischer Priester und Schwestern an. Dieses Team hat von 2008 bis 2024 über 45 Kurse an verschiedenen Orten durchgeführt. Erste Kurse fanden demnach 2008 in Singapur für Priester und Schwestern aus Qiqihar statt. Gleich darauf folgten Bitten nach solchen Kursen aus ganz China, weil nicht nur Qiqihar Bildungsbedarf für Priester hatte, sondern ganz China mit demselben Problem konfrontiert war. Vier Kurse wurden in der Folge in China durchgeführt; dann jedes Jahr einmal an der Universität Furen in Taipei und in der Schweiz über zwanzigmal. Hier vorwiegend für Priester aus China, die in Europa studieren (in Immensee, Heiligkreuz, Hertenstein und Morschach). Inhaltlich geht es in diesen rund zwölftägigen Kursen um den Aufbau von aktiven, geschwisterlichen und partizipativen Gemeinden nach den Methoden der «Themenzentrierten Interaktion» (TZI) und der «Kommunikativen Theologie». Immer baten Teilnehmende auch um individuelle Beratung und Auseinandersetzung sowie Aufarbeitung ihrer persönlichen Probleme.

Neben der Mitfinanzierung dieser Kursarbeit hat die SMB zudem 300 000 Franken für den Aufbau eines Altersheims in Qiqihar für betagte Eltern von Priestern, für alte, kränkliche Priester selbst und für sehr arme Katholiken gespendet. Diese Zusammenarbeit mit Qiqihar kann mit Recht als Fortsetzung der Chinamission der SMB bezeichnet werden. Auch die Priester aus Qiqihar betonten in den Kursen immer wieder, dass sie sich als «Kinder der SMB und Fortsetzung der SMB-Arbeit in Qiqihar» betrachten. Sie zeigten sich ausserordentlich dankbar dafür.

Diese konkrete Zusammenarbeit mit Qiqihar soll durch die jährliche Weiterbildung von ca. sechs Personen, drei Priestern und drei Schwestern in Immensee intensiviert werden, sofern dies aus politischen Gründen seitens China überhaupt möglich ist. Ein erster Versuch ist Anfang September dieses Jahres mit drei Priestern geglückt.

Zum Ausbildungsteam von chinesischen Seelsorgern und Seelsorgerinnen gehört die Theologin Rita Chen Baumann (Mitte). Zusammen mit Laurenz Schelbert SMB und Peter Baumann führte sie von 2008 bis 2024 über 45 Kurse an verschiedenen Orten durch.

Drei Priester aus Qiqihar absolvieren im Missionshaus eine Weiterbildung

Vor rund einem Jahr hat Bischof Joseph Wei Jingyi aus Qiqihar den Generalrat der SMB angefragt, ob dieser bereit wäre, Priester und Schwestern durch Rita Chen Baumann weiterzubilden, weil sie schon mehrmals in Qiqihar Priestern und Schwestern Kurse gegeben hat, zurzeit aber nicht mehr ohne erhebliches Risiko nach China reisen darf. Seine Vorstellung war, dass pro Jahr ca. drei Priester und drei Schwestern für rund eine Woche nach Immensee kämen. Nach der Zustimmung des Generalrates hat Bischof Joseph Wei Jingyi dieses Jahr drei Priester nach Immensee gesendet. Schwestern wurde diesmal keine Ausreisebewilligung erteilt.

Vom 1. bis 8. September 2024 haben drei Priester bei Rita Chen einen Intensivkurs in «Kommunikativer Theologie» absolviert. Inhaltlich geht es darum, den Betroffenen zu helfen, eine «aktive, geschwisterliche und partizipative Gemeinde» aufzubauen. Ausgehend von «Vertrauen schaffen» und «die konkrete Situation vor Ort kennenlernen», zielt der Kurs darauf ab, «mit christlichen Familien praktische Vorgehensweisen» zu erarbeiten. Dies ist in China umso wichtiger, als Jugendliche unter 18 Jahren weder in die Kirche gehen noch Religionsunterricht erhalten dürfen. Immer kommen bei solchen Kursen auch emotionale Probleme und persönliche Schwierigkeiten der Teilnehmenden zur Sprache.

Auch ein Besuch bei Bruder Klaus und ein Ausflug in die Berge gehörten zum Programm. Tief beeindruckt waren die drei Priester nach dem Besuch des SMB-Friedhofs, als sie die zwölf Grabsteintafeln der Missionare sahen, die in China sehr jung gestorben waren. Am Freitag zeigten sie der SMB in einer sehr interessanten PowerPoint-Präsentation die heutige Situation der Diözese von Qiqihar auf.

Am Ende des Kurses bedankten sich die drei Priester ausserordentlich für diese Gelegenheit und hoffen fest, dass dieser Kurs in Zukunft wiederholt werden kann. Hoffen wir es!

Drei chinesische Priester absolvierten Anfang September 2024 einen Intensivkurs in Kommunikativer Theologie bei Rita Chen (Zweite von links). Im Bild stehen die Priester zusammen mit Peter Baumann (Dritter von rechts) und Ernst Gassner SMB (Zweiter von rechts) im Innenhof der Wohnsiedlung im Bethlehem in Immensee.

Unterstützen Sie die Weiterbildung von chinesischen Seelsorgern und Seelsorgerinnen

Mit einer Spende können Sie die Ausbildung von chinesischen Seelsorgern und Seelsorgerinnen durch die SMB unterstützen. Die Teilnehmenden sind Priester, Schwestern und einzelne Laien. Die meisten stammen aus China. Im Jahr 2024 wurden zwei Kurse in Morschach, ein Kurs in Taipei und ein Folgekurs in Rom organisiert.

Schwyzer Kantonalbank

IBAN: CH53 0077 7001 5390 3200 5 BIC: KBSZCH22XXX

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!

Unter diesem Link finden Sie die gesamten Angaben, um eine Spende zugunsten der Missionsgesellschaft Bethlehem zu tätigen.

Projekt: Weiterbildung von chinesischen Seelsorger:innen durch die SMB

Kosten für 2024: 39000 CHF

Buchtipp: Die Schweiz und China

Historisch und politisch interessierten Leserinnen und Lesern sei das 2024 im Verlag «Hier und Jetzt» neu erschienene Buch «Die Schweiz und China. Von den Opiumkriegen bis zur neuen Seidenstrasse» von Ariane Knüsel und Ralf Weber empfohlen.

Die beiden Fachleute erzählen die bewegte Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Ländern und spannen einen weiten Bogen von Schweizer Zeugen des Opiumkrieges bis hin zu einer Missionarin, der Mao höchstpersönlich mit Erschiessung drohte. Sie berichten von Sympathiewellen für tibetische Flüchtlinge, von Reaktionen der Schweiz auf das TiananmenMassaker und vom Freihandelsabkommen von 2013. Im reich bebilderten Buch werden auch die SMB-Missionare und die Ingenbohler Schwestern in China mehrfach erwähnt.
Das Buch kann online bestellt werden: www.hierundjetzt.ch