Ganz nah dran – Porträt über Walter Kaufmann

Der in Horw aufgewachsene Walter Kaufmann, Missionar der Missionsgesellschaft Bethlehem, wird am 10. Mai 2023 90 Jahre alt.

10.05.2023

Sie kommt sofort hoch, wenn man mit Walter Kaufmann spricht, und sie kommt immer wieder: die Erinnerung an den Unabhängigkeitskrieg in Simbabwe, den er mittendrin auf seiner Aussenstation Makambe ganz im Süden des Landes miterlebt hat. Wie Söldner im Auftrag des rhodesischen Präsidenten Ian Smith «seine Leute» drangsaliert haben. Wie die Zivilisten gezwungen wurden, die als Terroristen eingestuften Widerstandskämpfer zu denunzieren, um ihr Haus und Gut zu bewahren. Wie in der Folge Dutzende von Häusern in Flammen aufgingen. Wie er diese Terroristen, «viele waren einfache Studenten», als Menschen kennenlernte. Und wie er mit dieser ganz anderen Sicht der Dinge in Driefontein, wo die Bezüge zur Regierung enger waren, auflief. Bis ganz zuletzt blieb er bei seinen Leuten, bis im Frühling 1977 sämtliche Bewohner seines Pastoralraumes in Wehrdörfer umquartiert wurden und Bischof Häne ihn in den Urlaub beorderte. «Entweder ist der Wädi ausserordentlich mutig, oder er ist naiv», sagten andere. «Integriert wie ich war, gab es stets Leute, die mich auf Gefahren hinwiesen», sagt Walter Kaufmann, und: «Niemand war sicher, auch ausserhalb der Gefahrenzone», entgegnet Walter Kaufmann, und im Austausch vom März 2018 schreibt er: «Wäre es nicht Undank dem Guten Hirten gegenüber, so zu denken, nachdem wir offensichtlich besondere Führung und besonderen Schutz erfahren haben?»

Walter Kaufmanns Entscheidung für die missionarische Präsenz ganz nah bei den Menschen ist schon in seiner Kindheit angelegt. Aufgewachsen in bäuerlicher Umgebung in Horw, ist ihm der Umgang mit vielen Geschwistern und ein enger Bezug zu Tieren schon früh mitgegeben worden. Einer seiner Verwandten, Leonhard Kaufmann, gehörte zu den Weissen Vätern. «Schon in der 5. Primarklasse hatte ich den Gedanken, dass ich Priester werden will», sagt er. Die Weihe empfing er 1961, ein Jahr später reiste er mit Sebi Stocker und Gieri Jörger nach Rhodesien aus. Dass er 38 Jahre dort bleiben würde, konnte er nicht ahnen. Er liebte das Volk, und das Volk liebte ihn, wo auch immer er im Einsatz war. Insbesondere machte es ihm keine Mühe, sich an die einheimische Kultur der langen Gottesdienste anzupassen. Im Gegenteil: Er schaffte es mühelos, mit den einheimischen Priestern bezüglich der Länge der Predigten gleichzuziehen. Bald schon erwarb er sich den Ruf, im Herzen ein Afrikaner zu sein – und ein guter Mensch obendrein. Dazu gehörte auch, dass «Wädi» da und dort Notleidende mit einer Gabe glücklich machte. «Ich weiss: Hilfe zur Selbsthilfe mit Projekten ist angebrachter», schreibt Walter Kaufmann in seinem Rückblick im Forum vom Juni 2000. Einige seiner Zustüpfe sah er jedoch als «Entschuldungen im Kleinen», wenn es doch im Grossen nicht klappte. Er gibt ein Beispiel: «Bernard Sigaula war verschuldet wegen dem Transport seines verstorbenen einzigen Sohnes vom Spital ins Heimatdorf für die Beerdigung. Es waren 200 Kilometer. Eine Sammlung für ihn in der ohnehin überforderten Pfarrei konnte einen Bruchteil der Kosten decken, so versah (oder, nach Lesart einiger Mitbrüder, verwöhnte) ich diese Familie mit einem Zustupf.» Im Interview zu diesem Bericht kann Walter Kaufmann jedoch relativieren: «Ich hatte gar nicht so viel Geld, niemals so viel wie Sebi Stocker.» Und er schliesst diese schwierige Thematik mit folgendem Spruch ab: «Wenn jemand eine Gabe gibt, auch ohne darum gebeten worden zu sein, dann lächelt der Himmel.» Dabei denkt er zum Beispiel an jene Frau, deren Verzweiflung er aus ihrem Gesicht ablesen konnte, ohne dass sie ein Wort zu sagen brauchte. Sie dankte für seine Gabe mit den Worten: «Du weisst nicht, was das für mich bedeutet.»

Walter Kaufmann im Einsatz in Chilimanzi in Simbabwe.

«Ich habe das einfache Leben der Einheimischen geteilt und geliebt», resümiert Walter Kaufmann, und: «Das Velofahren auch über lange Distanzen zu den Aussenstellen hat mich fit gehalten.»

Logisch, dass er mit 68 Jahren nicht einfach mit dem Missionsdienst aufhören konnte und wollte. So war er froh, dass er im Jahr 2002 nach Sambia weiterreisen durfte. Zusammen mit Josef Christen betreute er gut 6 Jahre lang die Pfarrei Kaparu mit ihren 34 Aussenzentren, die im Umkreis von rund 100 Kilometern angesiedelt waren. Auch Josef Christen kann davon erzählen, wie konsequent Walter Kaufmann seine Dienste versah. «Einmal kam er morgens um sechs total durchnässt von einem Einsatz zurück», sagt er. « Von der nächstgelegenen Bushaltestelle bewältigte er die restlichen 10 Kilometer im strömenden Regen zu Fuss.» Walter war so ausgefüllt von seiner Arbeit, dass er keine Zeit finden musste, um Hobbys zu pflegen – wenn man denn das mühsame Erlernen der Nyanga-Sprache nicht als Hobby sehen will. Gut erinnert sich Walter Kaufmann an die Jahrhundertdürre, die die Region in diesen Jahren heimsuchte – und die nachfolgende Samenverteilaktion, die wegen der grossen Not schier in einen Tumult ausartete. Trotzdem: «Es war eine wunderbare Zeit», sagt Walter Kaufmann.

Ernst Wildi sorgte dafür, dass er nach Beendigung des Kaparu-Einsatzes 2008 noch vier weitere Jahre in Afrika bleiben durfte – als Mitarbeiter im Aids-Hospiz. Vor allem war er in der Krankenseelsorge tätig. «Oft half die Medizin», sagt er, «manchmal aber vielleicht auch das Gebet.» Manchmal ergänzte sich beides, manchmal jedoch stürzte es die Patientinnen und Patienten in ein Dilemma. Er erinnert sich dabei an den Advokaten Valentino, der nach zwei Wochen Spitalaufenthalt den Beschluss fasste, den örtlich angesehenen Propheten Josua aufzusuchen. Er tat dies auch auf den Rat seiner Frau hin, kam aber nach drei Wochen zurück und starb bald. Erst 2013, mit 80 Jahren, kehrte Walter Kaufmann ins Missionshaus nach Immensee zurück. Seither ist er gelegentlich im liturgischen Dienst tätig, auch im Kontakt mit seiner Heimatgemeinde Horw. Es bleibt Walter zu wünschen, dass er seine Berufung der missionarischen Präsenz noch viele Jahre weiterpflegen kann – hier in der Schweiz, aber in ewiger Verbundenheit mit Afrika.

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