Abschied von Georg Schelbert (* 2.11.1922; † ?.5.2015) und Nachrufe von Fritz Kollbrunner und Adrian Schenker.
Georg Schelbert wurde am 2. Nov. 1922 in Kaltbrunn SG als zweites Kind in eine Familie mit insgesamt neun Kindern geboren. Nach dem Progymnasium Rebstein und dem Gymnasium in Immensee trat er 1941 in das Noviziat im Missionsseminar Schöneck ein.
Auf seine zukünftige Tätigkeit in China sollte er sich durch das Studium der Hl. Schrift in Rom vorbereiten, das er 1953 am Päpstlichen Bibelinstitut mit dem Lizentiat in Bibelwissenschaft abschloss.
Da durch die Machtübernahme der Kommunisten in China ein Einsatz dort nicht mehr möglich war, wurde ihm am Missionsseminar Schöneck die Professur für Altes und Neues Testament übertragen.
Nachdem Prof. Josef Amstutz 1967 zum Generalobern der SMB gewählt worden war, übernahm Georg Schelbert an der Theol. Fakultät der Universität Freiburg die Vorlesungen «Einführung in das Geheimnis Christi». So pendelte er zwischen Schöneck und Freiburg. Ferner dozierte er 1966-1991 auch am Katechetischen Institut in Luzern.
Ab 1971 lehrte er in Freiburg zusätzlich «Einführung in die aramäische Sprache» und «Einführung in die zwischentestamentliche Literatur» und ab 1975 «Milieu biblique».
1978 wurde er zum sog. «chef de travail» ernannt und ab 1983 amtete er bis zum Ende seiner Lehrtätigkeit 1993 als Studienberater der Theologischen Fakultät.
Während vielen Jahren hielt er bei den Kanisiusschwestern die tägliche Eucharistie. Zu ihrer Hundertjahrfeier 1998 erarbeitete er ihre Geschichte in drei Bänden.
1989 erforderten Herzprobleme einen mehrwöchigen Spitalaufenthalt. 2000 zog er sich ins Mutterhaus in Immensee zurück. Die Arbeit am Buch «ABBA-Vater» konnte mit der technischen Hilfe seines Neffen, Dr. Urspeter Schelbert, 2011 abgeschlossen und veröffentlicht werden.
In den letzten Monaten wurde Georg schwächer. Nun durfte er heimkehren zu seinem ABBA – seinem Vater und dem Vater seines Meisters.

Abschiedsgottesdienst von Georg Schelbert im Missionshaus in Immensee.
Nachruf von Fritz Kollbrunner SMB
Manche von uns haben Georg Schelbert zuerst im Missionsseminar Schöneck erlebt, in erster Linie als Professor für Altes und Neues Testament. Da bekamen wir mit, wie die Heilige Schrift nach den neuesten Erkenntnissen zu untersuchen und auszulegen ist. Er konnte sich lange Zeit mit einem einzigen Text befassen. Gelegentlich ging er für uns dabei zu sehr ins Detail. Aber wir erhielten eine Grundlage für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Bibel. Auch wenn Georg selber, was den Glauben betraf, radikal und gelegentlich auch etwas zelotisch sein konnte — ein Fundamentalist ist er nie gewesen, davor bewahrte ihn wohl der fachgerechte Umgang mit der Heiligen Schrift. In der Liturgie legte er uns in seinen Predigten oft das Wort Gottes aus, mit Geist und Feuer.
Im alltäglichen Betrieb des Seminars hatte Georg die Aufgabe des DP, des Disziplinarpräfekten, zu erfüllen. Das war keine leichte Aufgabe, er stand dabei zwischen den Vorgaben der Generalleitung und den Bestrebungen der jungen, oft allzu lebendigen Mitbrüder.
Was unsere Gemeinschaft als ganze betrifft, war Georg wie kaum ein anderer der Fachmann für die Bethlehem-Spiritualität und ihre Geschichte. Er hielt uns Rekollektionsvorträge über Einzelheiten unserer missionstheologischen Herkunft. Am Generalkapitel 1967 war er massgebend an der Neufassung der Konstitutionen beteiligt. Dieses Kapitel hatte ja die Anregungen des Zweiten Vatikanischen Konzils aufzunehmen. Dazu war Georg besonders kompetent, hatte doch in mehreren Artikeln die Stellung des Mis sions dekrets ,Ad gentesc im Gesamtwerk des Konzils untersucht. Man geht kaum fehl in der Annahme, dass das Konzil auch anderweitig auf ihn eingewirkt und den kirchlichen Horizont noch mehr geöffnet hat, so dass er gerade auch in den letzten Jahren gewisse verengte Auffassungen seitens der Amtskirche kritisieren konnte.
Seine spirituelle und theologische Kompetenz kam vielen auch über die Schweiz hinaus zugute. Unseren Mitbrüdern in Simbabwe, Japan, Taiwan und Kolumbien gab er Exerzitien und Vorträge; in Tansania auch den Benediktinern. In Fribourg stellte er sein Wissen der «Gemeinschaft der Laienmissionarinnen» zur Verfügung, und mit den KanisiusSchwestern feierte er während Jahren die tägliche Eucharistie.
Georg war indessen mehr als der Professor und Forscher — er war ein Mensch. Nicht alle von uns konnten die Ideale der Einfachheit und Armut so wie er realisieren. Luxus war ihm fremd. Auf Dinge, die wir für notwendig halten, konnte er verzichten. Die Zahnärzte haben an ihm schon lange nichts mehr verdient! – Das Haus, das die SMB in Fribourg geschenkt erhalten hatte und in dem er jahrelange wohnte, besass keinen Lift und keine Zentralheizung; so trug er, der schon Herzkranke, die Kohlensäcke auf seinem Buckel bis zum vierten Stock hinauf. Auf dem alltäglichen Hintergrund dieses einfachen und unspektakulären Lebens beginnt sein wissenschaftliches Engagement erst recht zu leuchten.
Darüber orientiert uns nun der Dominikanerpater Adrian Schenker, der als Professor für Altes Testament an der Uni Fribourg gelehrt hat.
Nachruf von Pater Adrian Schenker OP, Prof. em.
Ich möchte zuallererst im Namen der Theologischen Fakultät und des Rektorates unserer Universität, Ihnen/Euch das tiefempfundene Beileid aussprechen – auch im Namen des Dekans, der hier nicht anwesend sein kann – aber nicht nur das Beileid, sondern den Dank für all das, was P. Georg Schelbert in über zwanzig Jahren für die Studierenden und für die Institutionen der Fakultät und der Universität geleistet hat. Ich möchte an diese offizielle Danksagung aber auch meinen persönlichen Dank anknüpfen für den Kollegen, Freund und Mitbruder im priesterlichen Dienst, der P. Georg Schelbert für mich gewesen ist. Ich verdanke ihm sehr viel und bin deswegen sehr froh, dass ich mit Euch jetzt diesen Abschiedsgottesdienst feiern darf.
Ich bin gebeten worden, die wissenschaftliche Tätigkeit und Leistung von von P. Georg Schelbert zu würdigen. Weit über zwanzig Jahre bin ich Zeuge gewesen von dieser seiner Wirksamkeit. Die Aufgabe eines Lehrers an der Universität beruht auf drei Säulen: Forschung, Lehre und Mitarbeit an der Verwaltung. Meistens ist ein akademischer Lehrer in zwei von diesen drei Bereichen aktiv; im dritten ist er eher passiv. Von P. Schelbert darf man ohne Übertreibung sagen, dass er in allen drei Bereichen unermüdlich tätig gewesen ist, für das Beste der Studierenden und der Institution.
Lassen Sie mich/Lasst mich in Kürze zu Forschung, zu Lehre und zu dem Beitrag im Administrativen ein paar Bemerkungen machen. Was die Forschung betrifft: P. Schelbert war ein hochbegabter Mensch, für die biblischen Fächer wie gemacht. Er lernte die alten Sprachen von Grund auf und und spielte auf ihnen wie ein Pianist auf dem Klavier. Er besass überdies die Gabe der Genauigkeit. Wir haben gehört, dass er es liebte, ins Detail zu gehen. Er ging allem mit scharfem Verstand auf den Grund. Sein schon erwähntes letztes Buch, ABBA Vater, zeigt das in fast schwindelerregendem Mass. Ferner hatte er ein nie versiegendes Interesse für alle Fragen der Bibel und für ihre Nachwirkung in Kirche und Gesellschaft bis heute. Das machte ihn zu einem wachen Zeitgenossen und zu einem ungeheuer belesenen Kenner der biblischen Forschung; ihm entging nichts. Ihm war die Gabe eines treuen Gedächtnisses verliehen, das ihn wohl nie im Stich liess. Vielleicht waren es diese Gaben, die auch die Ursache dafür waren, dass er relativ wenig auf exegetischem Gebiet schrieb, als ob er Angst gehabt hätte, er könnte etwas übersehen haben, was er hätte wissen müssen. So hat er leider seine Dissertation, die er in England bei einem der berühmtesten Professoren der damaligen Zeit, bei Paul Kahle, geschrieben hatte, der ihn hoch schätzte, nie veröffentlicht. Umso bewundernswerter war bei dieser blendenden Begabung seine Bescheidenheit, die schon erwähnt worden ist. Georg Schelbert hat sich nie selbst inszeniert. Dabei muss man hinzufügen: er war gegenüber seinen Kollegen ohne Neid. (Das ist an den Universitäten nicht ganz immer der Fall!)
Ich möchte als Zweites etwas zu seiner Lehre sagen. Georg Schelbert war ein Lehrer, der seinen Schülern alles vermitteln wollte. Sie sollten alle Elemente eines Stoffes kennen. Das verlangte von ihm selbst eine gewaltige Vorbereitung. Zu einer Zeit, als das Kopieren noch mühsam war und Stencils und Matrizen erforderte, bereitete er ungezählte, engstens beschriebene Blätter vor, die er dann seinen Studierenden freigebig austeilte. Nichts war ihm zuviel für seine Vorlesungen und für seine Studenten. Dass er damit zeitweilig seine Schüler überforderte und seine Vorlesungen an Unübersichtlichkeit und Stofffülle, die er ausbreitete, litten, kann nicht erstaunen. Aber alle anerkannten mit Bewunderung, und viele mit Dankbarkeit, seinen ganzen, selbstlosen Einsatz für die Lehre, für die Vermittlung der biblischen Kenntnisse.
Und ein dritter, wichtiger Beitrag, an den man heute oft gar nicht denkt, ist das, was Georg Schelbert für das Studium, die Institution, die Studierenden und die Dozierenden getan hat. Seine Lehrtätigkeit begann 1966, als sich die Freiburger Fakultät neue Studienordnung geben musste. Das war unmittelbar nach dem 2. Vatikanischen Konzil. Man musste das ganze Theologiestudium von Grund auf neu organisieren. Und Sie können sich vorstellen, was das an Sitzungen, an Reglementen, an Diskussionen und Kommissionen erfordert hat. Georg Schelbert – es wurde auch schon erwähnt – trug das Vaticanum begeistert mit. Ihm war die Freiheit der biblischen und theologischen Forschung ein hohes Gut. So gab es in jenen Jahren viele Unsicherheiten bei Lehrern und Schülern; neue Reglemente mussten verfasst werden; die Studierenden brauchten Beratung und Orientierung. Und hier hat unser Kollege Schelbert selbst Stunden um Stunden aufgewendet, um das Studium für die Lehrenden – für uns Kollegen – und die Studierenden funktionstüchtig zu machen. Ich glaube, nur der Heilige Geist weiss und kann ermessen, wie viel Zeit und Arbeit hier P. Georg in diese Notwendigkeit investiert hat.
Lassen Sie mich schliessen. Darf ich Euch zum Abschluss das Bild hervorrufen, das ich von unserem unvergesslichen, verstorbenen Kollegen immer habe, wenn ich an ihn denke. Er steigt vom vierten Stock seiner Wohnung an der Spitalgasse herunter, links und rechts eine dicke, bauchige Mappe in der Hand, wie sie früher die Spengler und Installateure für ihre Schraubenzieher und Zangen hatten, in denen aber bei ihm statt der Werkzeuge die Bücher und die Blätter waren, die er seinen Studierenden ins Seminar mitbrachte – und oft waren das nur wenige, aber er wandte ebensoviel Eifer für drei wie für zwanzig Studierende auf. Und mit diesen beiden schweren Mappen in jeder Hand begrüsste er mit seinem freundlichen Lächeln den Kollegen, der ihm dabei begegnete.
Wir können jetzt nur für ihn danken und Christus, den Meister, dem er dienen wollte, bitten, er wolle seinem getreuen Knecht sagen: «Tritt ein in die Freude Deines Meisters.»