Ludovic Nobel (Generaloberer SMB) und Josef Meili (Generalrat SMB) nahmen vom 6. bis 10. Mai 2024 am SEDOS-Seminar in der Casa Divin Maestro in Ariccia in Rom, Italien, teil.
Autor: Ludovic Nobel und Josef Meili, 23.05.2024
Prophetisches Zeugnis für eine weltweite Gemeinschaft
Am SEDOS-Seminar 2024 (Service of Documentation and Studies on Global Mission) nahmen 41 Frauen und Männer aus 22 religiösen Gemeinschaften, die missionarisch tätig sind, teil. Die Mehrheit der Teilnehmenden stammte aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Es war eine deutliche Verlagerung des Missionspersonals in diese Kontinente sichtbar.
Die Teilnehmenden waren aufgeteilt in Sprachgruppen: 2 Englisch, 1 Französisch,
1 Spanisch und 1 Italienisch. Die Vorträge wurden jeweils simultan übersetzt in die vier erwähnten Sprachen. Alle Teilnehmenden hatten ihr Mobiltelefon mitgebracht, was es ermöglichte, tagungsinterne Informationen (Gottesdiensttexte, Fragen für Gruppengespräche, etc.) via Mobilgerät zu kommunizieren.
Die einzelnen Tage begannen jeweils mit einer einstündigen Meditation über einen Bibeltext (Lectio Divina) in Gruppen. Anschliessend folgten Vorträge und Gruppengespräche. Abgeschlossen wurde jeder Tag mit einer Eucharistiefeier in Englisch, Französisch oder Spanisch, welche von den Sprachgruppen vorbereitet und geleitet wurden.
Das sehr eindrückliche und engagierte Eröffnungsreferat hielt Erzbischof Dieudonné Kardinal Nzapalainga, C.S.Sp, Erzbischof von Bangui (Zentralafrikanische Republik). Er engagiert sich persönlich für den Friedensprozess in seinem Land und beteiligte sich 2013 an der Seite des Präsidenten des Islamischen Rates und des Präsidenten der Evangelischen Allianz in Bangui an der Gründung der interreligiösen Plattform für den Frieden in Zentralafrika.
Ludovic Nobel und Josef Meili (dritte Reihe links) in der Aula des Seminars.
Die Vorträge und Gruppengespräche des ersten Tages kreisten um einen biblischen Zugang zum Thema: gewaltfreier Umgang in Kriegs- und Flüchtlingssituationen. Fr. Guy Theunis (M.Afr.), Mitglied der Missionare von Afrika, präsentierte «Jesus – ein Modell der Gewaltlosigkeit». Sr. Marie Dennis doppelte nach mit «Evangeliumsgerechte Gewaltlosigkeit – Ein neues Paradigma der Mission». Am Abend zeigte der indische Film «The Face of the Faceless» die Geschichte der indischen Ordensfrau, Rani Maria, die sich in einem abgelegenen Gebiet für die Frauen einsetzte und schliesslich 41-jährig 1995 ermordet, und 2017 seliggesprochen wurde. Indische Teilnehmende am Seminar kannten sie persönlich.
Der zweite Tag war der sozialen und psychologischen Situation der Menschen in Gewaltsituationen gewidmet. Dazu referierten Mitglieder des Jesuitischen Flüchtlingsprogramms (JRS), Eric Goeh-Akue und Katharina Jelissejeva zum Thema «Versöhnung und Gerechtigkeit» und «Verstehen, wer, weshalb und wo die Vertriebenen weltweit sind». Fr. Pier Luigi Maccalli (SMA) sprach als Betroffener über seine über zwei Jahre dauernde Entführung im Niger, welche die Teilnehmenden sprachlos liess. Von Tanzania war Fr. James Kulwa Shimbala, (SMA) online zugeschaltet zum Thema «Soziale Begleitung, um Widerstandsfähigkeit und Heilung zu unterstützen».
Am dritten Tag wurde die Spiritualität von Gewaltlosigkeit thematisiert. Wiederum erläuterten die beiden JRS-Fachpersonen, wie mit Menschen, die Gewalt erlebt haben, umgegangen werden soll. Das Wichtigste sind nicht psychologische Fachleute, sondern ist in erster Linie die mitmenschliche Anteilnahme, das Dasein!
Die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) der Flüchtlinge ist überraschend gross. Sr. Sheila Kinsey hob in ihrem Referat «Spiritualität der Gewaltlosigkeit als prophetisches Zeugnis im missionarischen Dienst in Gewaltsituationen», basierend auf Texte von Papst Franziskus, folgende Aspekte hervor: Respekt, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und ganzheitliche mitmenschliche Beziehungen.
Der letzte Tag diente der Evaluation des Seminars und wurde mit einer Eucharistiefeier, das vom SEDOS-Team gestaltet wurde, abgeschlossen.
Josef Meili während einer Gruppenarbeit.
Flüchtlinge sind eine Herausforderung für die Solidarität
Flüchtlinge:
- 110 Millionen weltweit
- 49% Frauen, 51% Männer
- 35 Millionen Kinder
Wer sind Flüchtlinge oder Vertriebene?
Definition gemäss der Genfer Konvention (1951):
«Eine Person, die sich ausserhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, hat eine begründete Furcht, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung, verfolgt zu werden» (Ar.1)
Weshalb werden Menschen vertrieben?
- Bewaffnete Konflikte
- Kampf um natürliche Ressourcen (Gier)
- Naturkatastrophen/Klimakrise
- Ethnische Gewalt
- Politische Unterdrückung
- Organisierte Kriminalität (Drogen)
- Materielle Armut
Wo sind die Flüchtlinge?
86% der Flüchtlinge werden von Staaten des globalen Südens aufgenommen. Nur ein kleiner Teil geht in Richtung Europa. Nur 22% von Vertriebenen benötigen professionelle psychologische Hilfe. Posttraumatische Störungen erleidet ein kleiner Teil von Flüchtlingen. Die Resilienz ist überraschend stark. Erstaunlich ist, wie viele Mitglieder von religiösen Gemeinschaften in vielen extremen Situationen von Gewalt, vor allem in afrikanischen Ländern, arbeiten. Davon berichten die Medien kaum.
- Afghanistan, Indien, Myanmar, Sri Lanka
Lateinamerika:
- Ecuador, Kolumbien, Venezuela
- Grenze: Mexiko/USA
Afrika:
- Chad, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Sudan, Kongo, Tansania
- Äthiopien, Kenia, Uganda
- Angola, Malawi, Simbabwe Südafrika
Mittlerer Osten:
- Türkei, Syrien, Irak, Jordanien, Libanon, Israel
Das Seminar war spirituell und sachlich sehr inspirierend mit ausgezeichneten Referentinnen und Referenten und der seltenen Gelegenheit, sich mit Frauen und Männern verschiedener Nationalitäten auszutauschen.
Ludovic Nobel (links) bei der Eucharistiefeier, die den Abschluss des Seminars bildete und vom SEDOS-Team gestaltet wurde.